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Die Nächte der Schwestern Brontë

Emily Jane Brontë


Emily Jane ist die mittlere der drei Schwestern. Sie ist auf der einen Seite sehr intelligent und sprachgewandt, was in der Szene mit den Geschichtenspiel sehr deutlich wird, zeichnet sich aber in dem gesamten Stück vor allem durch ihre Verrücktheit und ihr temperamentvolles, oft sehr kindliches Gemüt aus.

Bereits in der zweiten Szene, in der Emily Jane zum ersten mal die Bühne betritt, wird dies sehr deutlich. Diese Szene zeigt Emily Jane im Moor, wo sie oft Stunden allein verbringt und ihre eigenen Geschichten weiterspinnt. Im Moor ist Emily ganz sie selbst, hier fühlt sie sich ungestört und scheint mit ihrer Umgebung, der Natur, zu verschmelzen. Andererseits dient dieser ungestörte Platz dazu, ihre Fantasie auszuleben, die eine weitere Eigenart Emilys enthüllt, nämlich ihre Begeisterung für alles Schaurige, Gruselige und auch Ekelerregende. In dieser Szene beschäftigt sie sich mit Nekrophelie und ist zwar leicht entsetzt, aber gleichzeitig auch entzückt von der Geschichte, die sie heraufbeschwört. Als ihre ältere Schwester Charlotte die Szene betritt, führt Emily die sehr kurzsichtige Schwester zu einem Abgrund und ist voller Schadenfreude, als Charlotte dessen gewahr wird und sich fast zu Tode erschreckt, denn Emily liebt es, andere zu schockieren.

In der darauffolgenden Szene muss Emily mit Anne und Charlotte ein Leinentuch umnähen, und hier merkt man, dass Häuslichkeit nicht zu ihren Stärken gehört. Im Gegensatz zu ihren Schwestern fühlt Emily sich fehl am Platz und beteiligt sich auch nicht an dem Gespräch ihrer Schwestern, und um ihrem mangelnden Ernst bei der Sache Ausdruck zu verleihen, liegt sie unter dem Leinen. Dann fällt ihr jedoch eine ihrer heißgeliebten Schauergeschichten ein, und ohne auf die etwas gedrückte Stimmung von Anne und Charlotte Rücksicht zu nehmen, erzählt sie sehr detailreich und voller Sensationslust von einem Webereiarbeiter aus dem nahegelegenen Dorf, der sich und seine Familie umgebracht hat. Vor allem die jüngere Anne reagiert entsetzt, was Emily nicht im Geringsten stört.

Allerdings ist Emily Jane nicht immer so extrovertiert, wie sie zu sein scheint. Als ihre Schwestern ihr erzählen, dass zwei Kuraten des Vaters zum Essen kommen, zeigt sie sich ganz und gar nicht erfreut und sagt: "Man soll uns in Ruhe lassen." Woraufhin Anne treffend bemerkt, eine Auster sei geselliger als Emily Jane. Dies zeigt die andere Seite von Emily, denn im Grunde ist sie eher weltfremd und lebt lieber in ihrer eigenen Welt, bestehend aus ihren Schwestern und natürlich dem Moor.

Dann kommt es zu einem klaren Wendepunkt in der Rolle der Emily Jane, und zwar in der sechsten Szene, in der Charlotte Gedichte findet, die Emily Jane geschrieben hat. Diese Gedichte enthüllen Emilys intimsten Gefühle, sie handeln von einem inneren Kampf, den sie auszutragen hat und von dem Wunsch, dass diese Kämpfe eines Tagen aufhören mögen.

Dies zeigt, dass auch Emily Jane mit sich selbst ganz und gar nicht im reinen ist, dass sie oft nicht weiß, wo sie hingehört und nicht das Leben leben kann, das sie sich wünscht. Dies wird übrigens auch durch das Kiebitz-Ei deutlich, das Emily hegt und pflegt, weil sie hofft, es zum Schlüpfen zu bringen. Der Kiebitz verkörpert zum einen ihre Hingabe zur Natur und zum anderen den Wunsch, Flügel zu haben und einfach wegfliegen zu können.

In der darauffolgenden Szene eröffnet Charlotte ihrer Schwester, dass sie die Gedichte gefunden hat, und Emily reagiert mit einem heftigen Gefühlsausbruch. Einerseits ist sie wütend auf Charlotte und auch Anne und wünscht sich, die Kraft zu haben, um beide totzuschlagen, andererseits ist sie auch einfach nur entsetzt und hilflos, weil ihre Schwestern in ihr Innerstes vorgedrungen sind und sie sich nun nackt und schutzlos den anderen ausgeliefert fühlt. Ihr ist, als habe jemand ihre Gedanken gelesen und sie äußert dieses Gefühl zum einen, indem sie versucht, Charlotte zu erklären, was sie ihr angetan hat und zum anderen durch Gebrüll und den Versuch, die beiden Schwestern verbal zu verletzen.

Während diesem Streit versucht Charlotte, Emily klar zu machen, dass sie es mit ihrem Talent zu etwas bringen können und dass Charlotte es nur gut mit den Schwestern meint, was Emily wieder etwas beruhigt.

Von da an beginnt der Prozess des Schreibens, jede der drei Frauen arbeitet an einem Roman, und Emily fasst hier ihre Fantasie aus dem Moor in Worte.

Zwischendurch wird in kurzen Momenten deutlich, dass Emily bereits unter ersten Symptomen der Tuberkulose leidet, sie hat heftige Schmerzen in der Brust und hustet krampfhaft, scheint dies ihren Schwestern aber keinesfalls zeigen zu wollen und unterdrückt ihre Krankheit, so gut es eben geht. In der zwölften Szene, in der die ebenfalls kranke Anne ihrer Schwester erzählt, dass sie so müde ist und nur noch ausruhen will, macht Emily eine Andeutung auf ihren bevorstehenden Tod, indem sie sagt: "Ja, ruh dich aus. Ein bißchen Ruhe wird uns allen guttun."

In der darauffolgenden und für Emily letzten Szene ist diese "Ruhe" bereits eingekehrt; es ist die Sterbeszene von Anne und Emily Jane. Emily ist hier bereits völlig matt, beinahe resigniert, und sie sagt, mehr zu sich selbst, dass ihr das Moor nichts mehr geben kann. Sie denkt noch einmal an ihren Kiebitz:"&Mein kleiner Kiebitz. Du schwingst dich jetzt wohl im Moor über unsere Köpfe. Du willst zu deinem Nest, denn die Wolken berühren die Hügel und du weißt, dass es regnen wird. Ach könnt ich dich begleiten." Auch hier wird ihre Todesgewissheit deutlich, genauso wie der Wunsch, allem irdischen zu entfliehen und einfach davonzufliegen. Emily ist im Grunde jedoch sehr tapfer und unerschrocken, deshalb stellt sie sich ihrem Schicksal scheinbar ohne Angst und spricht ihre letzten Worte im Stück: "Los jetzt, du sogenannter Tod!"

Als ich in der elften Klasse zum ersten Mal das (damals noch unvollständige) Textbuch von Tilmann zum Durchlesen bekam, war mir sofort völlig klar, dass ich sehr gern Emily Jane spielen würde. Ihre Persönlichkeit war diejenige, in der ich mich sofort wiederfinden konnte, und ich fand sie von Anfang an faszinierend. Eine typische Gemeinsamkeit von Emily und mir ist die Faszination für Dinge, die andere Leute gruselig oder auch abstoßend finden. Ich hatte sofort lust, Emilys sensationslüsterne (teilweise fast perverse) Fantasien und Ausbrüche zu spielen.

Die Proben zeigten mir aber auch, dass ein so verrückter und vielschichtiger Charakter nicht leicht zu spielen ist. Bereits die Szene, in der Emily zum ersten mal die Bühne betritt, kostete mich einige überwindung, da ich dort keine Zeit habe, mich vorher in einem Dialog etc. warmzuspielen, sondern allein auf der Bühne stehe und gleich rumbrüllen und tanzen muss.

Zwischenzeitlich habe ich mir auch gewünscht, eine etwas nüchterne, bodenständigere Rolle wie Charlotte spielen zu dürfen, bin aber im Grunde sehr froh darüber, Emily zu spielen, zumal sie eine Persönlichkeit ist, die sich selbst und die zuschauer immer wieder überrascht.

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten haben wir alle drei es geschafft, im laufe der Proben immer mehr mit unseren Rollen zu verschmelzen und somit aus uns herauszugehen, und das hätte ich in der Zeit, als wir mit den Proben begannen, nie für Möglich gehalten.

(aus dem Programmheft zur Aufführung, Autor: Loretta Moser)






Charlotte Brontë





Charlotte Brontë ist kein sanftes, liebliches Aschenbrödel, das geduldig auf seinen Prinzen wartet, sondern ein äußerlich unscheinbares, herbes Mädchen, in dem sich oft eine penetrant wirkende Selbstgerechtigkeit verbirgt.

Für das Viktorianische England war Charlotte Brontë eine emanzipierte und weit denkende Frau, für die es eine normale Beschäftigung war Gedanken, Träume und Wünsche zu Papier zu bringen. Das einsame, finanziell ärmliche und mutterlose Heranwachsen in der Moorlandschaft von Yorkshire brachte für die stark kurzsichtige und unmodern gekleidete Charlotte die Schwierigkeit sich im weiteren Leben vorsatzgemäß in die Gesellschaft zu integrieren.

Aufgrund ihrer lebenden Phantasie und dem Verfassen der Phantasiewelten "Glasstown" und "Angria" mit ihren Geschwistern musste sie sich in vielen Situationen, z.B. im Internat "Cowan Bridge" für Pfarrerstöchter, vor die Wahl stellen: zu versuchen, mit dem gesellschaftlichen Umfeld klar zu kommen oder lieber in ihre imaginäre Welt zu flüchten.

In meinen Augen war Charlotte eine beeindruckende Persönlichkeit, die es ohne viel "Connection", sondern mit eigenem Willen und eigener Kraft geschafft hat, nach Jahrzehnten noch in unserem Leben bekannt zu sein.

Faszinierend finde ich außerdem den Gedanken, sich in der konservativen Zeit des 19. Jahrhunderts, in der eine literarische Laufbahn für Frauen fast unvorstellbar war, sich ein männliches Pseudonym anzueignen, um so seine Werke zu veröffentlichen. Den bekanntesten Roman "Jane Eyre" publizierte Charlotte Brontë unter dem, mit den gleichen Initialen versehenden Namen "Currer Bell".

Gegenüber ihrer Familie versuchte sie stets stark und souverän zu wirken, besonders weil sie zum Teil die Rolle der Mutter übernehmen musste. Im Inneren herrschte in ihr jedoch eine gewaltige Sehnsucht nach einem aufregenden Leben weg von dem isolierten Pfarrershaus und eine feurige Leidenschaft, die verknüpft mit ihrer Phantasie, lustvolle Gedanken zu Tage brachte.

Mir persönlich war es eine Freude, an der Inszenierung teilzunehmen. Es war vor allem eine Herausforderung, die wir hoffentlich halbwegs angemessen bewältigt haben.

Mit der Rolle der Charlotte Brontë konnte ich mich auch anfreunden, obwohl ich sie in einigen Situationen als unangenehm und gemein empfinde.

(aus dem Programmheft zur Aufführung, Autor:Lida Mancke)








Anne Brontë





Die jüngste der drei Schwestern. Diese sanfte und bescheidene, vernünftige und nachdenkliche junge Frau, die gerade einmal dreißig Jahre alt wird, wird immer im Schatten ihrer beiden älteren Schwestern stehen. Ein Ausruf Branwells - des Bruders - existiert,in dem es heißt: "Anne ist überhaupt nichts, absolut nichts." Sie hatte in ihrem Leben keine Freunde, so dass sie oft einsam war. Bis auf zwei Jahre, in denen sie als Gouvernante tätig war, verbrachte Anne ihr gesamtes Leben in ihrem Elternhaus. Ihre Erfahrungen, die sie in jenen zwei Jahren machte, strickte sie in ihr wohl bekanntestes Werk ein: "Agnes Grey".

Trotz ihrer Scheu, ihrer Reserviertheit und Schweigsamkeit ist Anne eine freundliche Person, der man einen wachen Intellekt zusprechen kann. Doch sie ist nicht so sprachgewandt wie ihre Schwestern. Dies wird in der Szene verdeutlicht, in der Emily, Charlotte und Anne das "Geschichtenspiel" spielen. Hier ist Anne jene, die langsam spricht und der es schwerfällt, sich auszudrücken.

Auch ist sie sehr schreckhaft und lässt sich leicht aus der Fassung bringen, was oft in dem Stück gezeigt wird. Anne wird einmal nahezu hysterisch, als Emily - während sie nähen - über den Tod eines Webereiarbeiters erzählt.

Sie ist eine sehr pflichtbewusste Frau; sie sieht stets, was noch getan werden könnte und beklagt sich auch nicht über die viele Arbeit, die sie zu tun hat.

Anne ist tief gläubig und sie versteckt ihr Gefühlsleben vor den Anderen. Ihre Liebe, die sie für W. Weightman empfindet, versucht sie vor jedem (auch vor ihren Schwestern) zu verbergen. Es kommt nie zu einer Annäherung zwischen den beiden, so dass Anne stirbt, ohne jemals die Liebe eines Mannes erfahren zu haben. So kommt es auch, dass sie obszönen Bemerkungen ihrer Schwestern nicht freizügig entgegenkommen kann und ihnen gegenüber entsetzt reagiert.

Die junge Frau empfindet eine tiefe Verbundenheit zum Meer, welches sie mit Charlottes Hilfe kurz vor ihrem Tod und bereits krank (sie konnte schon nicht mehr selbstständig gehen) noch einmal - das einzige Mal - sehen kann. Diese Verbundenheit wird sowohl im Text, als auch in Annes Handeln dargestellt. In einer der letzten Szenen ist Anne stillschweigend mit ihren Muscheln beschäftigt, betrachtet sie fast zärtlich und summt vor sich hin - eine Angewohnheit, die sich übrigens im gesamten Stück zeigt.

So lebte die milde und zarte Anne Brontë ein kurzes, tragisches, doch auch ein für sie erfülltes Leben und starb im Frühjahr 1850, kurz nach dem Tod ihrer Schwester Emily, an Tuberkulose.



Mir, Veronika Schüring, fiel es schwer, diese eher undurchsichtige und vielseitige Frau darzustellen und mich in die Rolle einzufinden. Trotzdem wählte ich bereits beim ersten Durchlesen des Textbuches diese Rolle, da Anne mich einmal mit ihrer Persönlichkeit ansprach und ich zudem ähnlichkeiten wie die ruhige Art oder die leichte Naivität zwischen ihr und meiner Person entdecken konnte. Es war für mich eine interessante Erfahrung und eine große Herausforderung, ein Stück mit nur drei Frauen zu spielen. Außerdem kostete es mich sehr viel überwindung, aus mir herauszukommen und das "Veronikasein" abzulegen. Doch es ist aufregend zu bemerken, was am Ende dabei herauskommt...

(aus dem Programmheft zur Aufführung, Autor:Veronika Schüring)